Keine öffentlichen Ausstellungen von Werken Otto Mühls, die in den Jahren der Kommunezeit 1974 – 1991 entstanden sind.

 

Grundsätzlich gebe ich zu bedenken, dass alle Bilder die Otto Mühl in der Kommunezeit von 1974 – 1991 gemalt hat, in einer Zeit entstanden sind, in der er Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht hat.

Viele Bilder stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit diesem Missbrauch. Kinder und Jugendliche wurden angehalten, sich an der Herstellung von Bildern in Mühls Atelier zu beteiligen. Dies betrifft insbesondere die sogenannten Fotorealistischen Bilder. Mühls Atelier war einer der Orte, in dem sexueller Kindesmissbrauch stattgefunden hat. Für Außenstehende ist dieser Zusammenhang nicht erkennbar, da die Bildmotive nicht unbedingt darauf hinweisen. Harmlos erscheinende Themen, wie Landschaften oder figürliche Darstellungen, bei deren Entstehung Kinder und Jugendliche anwesend waren, können bei diesen aber durchaus wieder traumatische Erinnerungen aufbrechen lassen, wenn sie in einer öffentlichen Ausstellung damit konfrontiert werden. Zudem hat Mühl auf seinen Bildern immer wieder die missbrauchten Kinder und Jugendliche als auch deren Eltern und Bezugspersonen abgebildet.
In dieser Zeit waren auch viele erwachsene Kommunemitglieder einem durch Otto Mühl injizierten Psychodruck ausgesetzt.

Jede Ausstellung, die Werke von Mühl zeigt, wird, auch wenn sie kritisch kommentiert ist, eine erneute psychische Belastung für die zahlreichen Opfer bedeuten.

Für Mühl und einen überwiegenden Teil der internationalen Kunstszene hat die Tatsache bestand, das der Täter (Mühl) seine Schuld mit Verbüßung der Strafe getilgt hat. Für die Opfer ist das allerdings nicht der Fall. Vielen Kindern und Jugendlichen wurde durch das verbrecherische Verhalten Otto Mühls in den Kommunejahren jegliche Chance, ein normales, glückliches Leben zu führen zerstört, zumindest aber erheblich erschwert.

Wir alle wissen, das Opfer von Vergewaltigungen und frühkindlichem sexuellen Missbrauch oftmals ihr Leben lang an den psychischen Folgen zu leiden haben.

Jede Ausstellung, die im Ergebnis eine Öffentlichkeit für Mühl schafft, ist somit eine erneute Demütigung der Opfer.
Das Museum nimmt keine Rücksicht auf die Empfindungen, die bei den missbrauchten Kinder und Jugendlichen ausgelöst werden, wenn diese eine Ausstellung mit Bildern von Mühl besuchen oder Berichte hierüber in Presse und Fernsehen lesen und sehen. Der Täter bekommt Anerkennung im öffentlichen Raum und seine Taten erfahren dadurch eine perfide Verharmlosung.

Aufmerksamkeit und Teilnahme am Leiden der Opfer ist in der Regel nicht gegeben und wird auch nicht angestrebt. Hier offenbart sich eine häufig zu beobachtende Haltung wenn es um Missbrauch geht. Die Fakten werden dokumentiert und möglichst Medienwirksam vermarktet. Das schafft zwar Öffentlichkeit, löst auch Betroffenheit aus, dient aber vor allem den Übermittlern (Quote, Auflage). Im Falle Mühls auch sehr explizit dem Täter, seinen Sammlern und Ausstellungsverantwortlichen. Ein erneutes Interesse an seinen Werken wird geweckt, wobei gleichzeitig die Schwere seiner Vergehen nicht thematisiert und somit verharmlost wird. Mit dem Hinweis, er habe seine Schuld getilgt indem er 7 Jahre im Gefängnis gesessen habe wird impliziert, dass auch die Opfer nun wiederhergestellt sein müssten.

Eine fatale Fehleinschätzung, da es hier nicht um die Wiedergutmachung eines materiell angerichteten Schadens geht, sondern um Menschen, die psychisch und physisch geschädigt wurden und Wunden erlitten haben, die sich dem Wesen einer materiellen Wiedergutmachung entziehen.

Rechstaatlich formal gilt Otto Mühl, nach Verbüßung seiner Strafe als rehabilitiert. Im zwischenmenschlichen, psychosozialen Bereich ist seine Schuld allerdings niemals zu tilgen, weil die seelischen Verletzungen der durch ihn geschädigten Menschen, bei vielen ein Leben lang nicht heilen.

Otto Mühl zeigt auch viele Jahre nach dem Geschehen keine Spur von Reue und Einsicht und vertritt die Auffassung richtig gehandelt zu haben.
Bisher ist von ihm kein Wort der Entschuldigung zu hören gewesen. Im Gegenteil, in Interviews und öffentlichen Stellungnahmen postuliert er seine abstrusen Statements, die eine totale Verachtung seiner Opfer erkennen lassen und einer Verhöhnung ihrer Leiden gleichkommen.

Original Mühl Zitate aus einem Interview in der deutschen Wochenzeitung “Die Zeit“ Nr. 10 vom 26.02.2004
Mühl: “Ich bin kein Kinderschänder. Das ist doch Blödsinn. Das waren alles entwickelte Mädchen.“
Die Zeit: “Die waren 13, 14 Jahre alt“
Mühl: „Ja und? Karl der Große hat eine zwölfjährige geheiratet“
Mühl: “Acht, neun, Zehn Jahre war das alles selbstverständlich, (das Recht der ersten Nacht) dann hat jemand Anzeige erstattet.“
Mühl: “Ich habe keine Feinde. Wer mich nicht liebt ist ein Psychopath.“

Original Mühl Zitat Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 22.02. 2004
Mühl: „Warum sollte der Staat vorschreiben, ab wann man Sex haben darf“

Original Mühl Zitat Arte Metropolis 08.12. 2001
Mühl: “Ich habe in der Kommune schon Fehler gemacht, aber in der Sexualität sicher nicht“

Mühl, der sein Lebensziel, ein kreativer Künstler zu sein, glaubt erreicht zu haben, vertrat immer die Ansicht, dass erst der Mensch verändert, geheilt werden muss, bevor sich gesellschaftliche Strukturen verändern lassen. Sein Credo: Leben und Kunst ist eins. Fatal ist , dass er davon ausgeht, nur er wisse wie das zu erreichen sei und seine Methoden zur Gesetzmäßigkeit erhebt, von denen er glaubte, sie innerhalb existierender Staats- und Gesellschaftssysteme in einer Parallelgesellschaft straffrei praktizieren zu können.
Diese Einstellung zu sich und seinem Lebenswerk lässt jegliches Unrechtsbewusstsein vermissen.

Original Mühl Zitat Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 22.02. 2004
Mühl: “Der Mensch war das Bild, und ich als Künstler der plastische Chirurg. Der Nichtkaputte ist vollkommen untauglich für die Kunst“

Hiermit bestätigt er selbst seine psychische Deformation, die er gerne als Argument für seine Unschuld heranzieht und die es ihm gestattet jegliche Verantwortung für seine menschenverachtenden Handlungen abzulegen.
Aus diesen Gründen kann ich allen Museen, Ausstellern und Sammlern nur raten, sich ausführlich mit der Person Otto Mühls zu befassen und die vielen unleugbaren Tatsachen zu berücksichtigen, die mittlerweile über ihn dokumentiert sind. Wer glaubt, die unzähligen Werke Otto Mühls als Ergebnis seines kreativen Schaffens einer kunstinteressierten Öffentlichkeit zu präsentieren, muss auch beachten, dass Mühls Schaffen auch noch andere Ergebnisse hervorgebracht hat: Das Leiden missbrauchter Kinder und Jugendlicher.
Sie sind es, die es gebieten, keine Werke Otto Mühls aus dem genannten Zeitraum auszustellen, aus Menschlichkeit und Achtung vor ihrem erlebten Leid.

Rüdiger Paulsen – 2004